Am Anfang stand die Kränkung… Das Zerstörungspotenzial psychischer Gewalt

Häufig wird Kränkung mit Schwäche gleichgesetzt. Wenn mich etwas kränkt, dann bin ich einfach nicht stark genug dem Widerstand zu leisten. Doch so einfach ist es nicht. Mit dem Thema Kränkung wird sich auch kaum auseinandergesetzt. In der Therapie geht es viel um Trauma und schwere Schicksalsschläge. Im Gegensatz zur Kränkung sind Trauma und Schicksalsschläge greifbar. Diese können wir ganz genau beschrieben, zeitlich manifestieren und einordnen. Eine Kränkung kann sich über Jahre oder Jahrzehnte entwickeln und erst durch etwas scheinbar Harmloses hervortreten, sodass wir weder sagen können, dass es etwas mit unserer Kränkung zu tun hat, noch wann oder durch was sie entstanden ist.

Eine Kränkung erschüttert uns in unserem Sein, in unseren Werten und unseren Vorstellungen von uns und dem Leben. Es wirkt wie eine große Enttäuschung und eine tiefgreifende Verletzung, die wir erfahren. Gleichzeitig hängt die Kränkung allein von uns ab. Wem z.B. Demütigung oder Mobbing widerfährt, dem geschieht unrecht. Ob die betroffene Person sich dann gekränkt fühlt und wie weitreichend das ist, hängt allein von der Person ab.

Eine Kränkung ist ein sozialer Prozess. Manch einen kann bereits ein schiefer Blick oder ein Wort kränken. Manch anderen würde das erst gar nicht beschäftigen. Wie schnell wir auf eine soziale Interaktion gekränkt reagieren, hängt sehr von unseren Erfahrungen und unserer Vulnerabilität ab.

So wie Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ so ist es auch mit der Kränkung: „Man kann nicht nicht kränken.“ Viele Kränkungen passieren auch unterbewusst. Wenn wir uns einmal bewusst machen, was uns kränkt, dann können wir diese Dinge zum Anhaltspunkt machen, um an uns zu arbeiten. Im besten Fall kann uns Kränkung folglich zur persönlichen Weiterentwicklung verhelfen. Im schlimmsten Fall kann Kränkung aber auch zu Massenmorden und Terroranschlägen führen.

Wenn wir uns also mehr mit dem Thema befassen würden, dann könnten wir viel Leid umgehen. Gleichzeitig soll es jetzt nicht darum gehen hinter jeder Ecke eine Kränkung zu suchen. Es geht lediglich ums Bewusstmachen, dass Kränkung sehr heimtückisch mitschwingen kann und zugreift, wenn wir es am wenigsten erwarten.

Der Arzt und Psychotherapeut Reinhard Haller erklärt in seinem Buch „Die Macht der Kränkung“ anschaulich, wie sehr Kränkungen unsere Selbstachtung angreifen können. Es gibt dazu auch eine Filmreihe, welche das Thema sehr anschaulich darstellt: „Am Anschlag – Die Macht der Kränkung“.

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